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Eindrücke aus meiner Indien-Reise (3)

04.02.2023

An einem Ort, wo ich nie hinwollte

Ich grüße euch in diesem dritten Teil meines Berichts aus Indien. Diesmal am Pool sitzend mit wehenden Palmen über mir. Klingt gut, oder?

Ich bin in der Lieblingsregion der Inder, wenn es um Meer, Sonne und Erholung geht – in Goa, auch Sehnsuchtsort so mancher Europäer. Hier wollte ich allerdings nie hin. Zu groß waren meine Vorurteile gegenüber gewissen Typen Urlaubern, die von Goa geschwärmt haben. Aber wenn man sich in Mumbai befindet und nach so vielen Eindrücken einige Tage Erholung braucht, gibt es fast nur hier die passende Infrastruktur. Und wir haben Glück. Die sonst wohl sehr auffälligen Russen fallen dieses Jahr komplett aus und auch andere ausländische Urlauber sind zögerlicher als sonst. Also ist weiterhin viel Trubel am Strand, aber es sind vor allem Inder, die sich ein paar Tage am Meer gönnen. Und den Pool im Hotel haben wir weitgehend für uns, da die wenigsten Inder wirklich schwimmen gehen. Wenn ich dann der Hotelleitung klarmache, dass laute Musik für mich kein Plus ist, kann ich sogar den Wind in den Palmen hören.

Diese Region liegt zwar in Indien, aber wer nur Goa besucht hat, war sozusagen nie in Indien. Es ist erstaunlich wohlhabend und sauber - nun ja, im Vergleich zu dem, was wir erlebt haben. An jeder Ecke gibt es touristische Krimskrams-Buden. Man lebt hier eindeutig vom Tourismus und alles ist an die Bedürfnisse der Urlauber angepasst. Es gibt sogar europäisches Essen, wenn man mag. Und gelegentlich mögen wir durchaus… Nach so vielen Wochen mit indischem Essen tut es Magen und Seele gut, weniger Schärfe verkraften zu müssen.

Aber der Kontrast zu den anderen Teilen des Landes, die wir auf verschiedenen Reisen kennengelernt haben, ist enorm. Und ich fühle mich nicht wirklich in Indien, sondern lediglich vor einer indieninspirierten Kulisse. Was nicht bedeutet, dass einige Tage Meer und Palmen nicht einfach guttun.

Hier und dort gibt es Spuren der portugiesischen Kolonialherren, u.a. in Form von katholischen Kathedralen. Der darin dargestellte blutüberströmte Christus am Kreuz war für mich eine durchaus schockartige Begegnung nach diesen so hinduistisch geprägten Wochen. Was denken Menschen aus anderen Religionen, wenn sie so etwas sehen?

 

Indische Spiritualität

Eine einheitliche indische Religion gibt es natürlich nicht. In einem Land mit 1,3 Milliarden Menschen gibt es unzählige Religionen, Sekten, Untergruppen von Untergruppen.  Hier leben so viele religiöse Gemeinschaften auf engstem Raum zusammen – Hindus, Muslime, Buddhisten, Jains, Christen… Gewiss nicht immer ohne Konflikte, aber erstaunlich oft ohne nennenswerte Konflikte. Allerdings habe ich jetzt schon aufgegeben, den spirituellen Hintergrund Indiens tiefer zu verstehen. Zu viele Richtungen, zu viele Götter, Erscheinungsformen der Götter, regionale Prägungen, unzählige große Epen, Geschichten, symbolische Darstellungen… Ich kann nur eine leise Ahnung davon bekommen und werde mich hüten, dazu viel zu sagen.  Auch hier geht es eher um beobachten, offen sein, staunen, nicht urteilen. Und nicht allzu schnell glauben, man hätte irgendetwas davon verstanden.

Natürlich gibt es dennoch spirituelle Erfahrungen und Begegnungen, die universell sind, und die über alle Regeln und äußerliche Formen direkt in mein Herz gelangen. Mal ist es ein älterer muslimischer Mann auf dem Weg zum Gebet. Mal eine betende junge Frau auf dem kahlen Steinboden in einer der wenigen stillen Ecken des hinduistischen Tempels von Thunjavar – voller Hingabe und Vertrauen. Und manchmal sind es Begegnungen mit wahren Lichtgestalten – ganz normale Menschen, die überrascht wären, zu erfahren, dass ich sie so nenne. Aber ich kann euch versichern – sie haben ein Licht ausgestrahlt, wie ich es selten in meinem Leben erlebt habe. Ich habe mich mit Tränen in den Augen für eine Weile in ihrer Nähe aufhalten dürfen.

Was ich dabei auch interessant finde, ist, dass man in Süd-Indien noch heute viele Göttinnen verehrt. Besonders interessant ist das auch, weil das heutige Indien noch immer sehr patriarchal geprägt ist. In Madurai ist sogar der gigantische und sehr berühmte Meenakshi-Tempel der Göttin Parvati gewidmet.

Meenakshi Tempel in Madurai

Spiritualität ist eindeutig ein Teil des Alltags. Egal wo man sich gerade befindet. Bei den Wurzeln eines Banyan-Baumes sind häufiger kleine Altäre aufgebaut, andere befinden sich an einer beliebigen Mauer an einer verkehrsreichen Straße, im kahlen Treppenaufgang zu einem kleinen Geschäft… Alle mit Hingabe errichtet, mit frischen Blumen, Lichter und Gegenständen geschmückt – und dann allerdings scheinbar vergessen – so dass der nächste Betende sich freien Platz durch die alten Überreste bahnen muss.

Auroville – eine Vision für die Wirklichkeit

Nahe Pondicherry an der Südost-Küste Indiens findet seit Jahrzehnten ein gesellschaftliches Großexperiment statt. Auf einem weitläufigen Gelände will man in Auroville anders miteinander und mit der Natur leben und ein spirituelles Leben im Alltag integrieren. Dazu gehören eine umweltfreundlichere Baustruktur und Agrarwirtschaft, Gemeinschaftsküchen, Schulen und Museen. Entstanden ist dieses Projekt nach den Vorstellungen von Sri Aurobindo, der eine wichtige Rolle bei der indischen Unabhängigkeit gespielt hat, zusammen mit der Französin Mirra Alfassa – genannt Mother. Beide sind mittlerweile verstorben. Auroville findet internationale Anerkennung (u.a. von der UNO) und hat natürlich auch jene Menge Kritiker, wie immer, wenn etwas Neues gewagt wird. Es handelt sich hier nicht um eine Sekte und es wird keine bestimmte Glaubensrichtung vorgegeben. Selbst habe ich mich nur wenig mit den sehr komplexen Gedanken und Visionen von Sri Aurobindo und Mother beschäftigt und kann deshalb wenig dazu sagen. Was mich allerdings sehr bewegt hat, war die angenehme Atmosphäre und liebevolle Gestaltung an diesem Ort - alles über Jahrzehnte von Menschen aus aller Welt auf einem ehemaligen Brachgelände erschaffen. Und die besonderen Energien dort. Hier wurde sehr spürbar lange und auf hohem Niveau energetisch gearbeitet. Darüber möchte ich aber nicht schreiben, sondern im nächsten Lichtkreis (online) gleich nach meiner Rückkehr am 9. März mit euch zusammen in diese Energie einsteigen. Denn das geht auch, ohne dass ihr dort wart. Eine wirklich besondere Gelegenheit, worauf ich mich sehr freue. Vielleicht magst du dabei sein?

Matrimandir in Auroville

Das Matrimandir in Auroville

Mumbai

Bevor wir hier in Goa unsere Erholungstage beginnen konnten, fanden gleich mehrere Ereignisse statt. Wir reisten aus New Delhi nach Mumbai – das ehemalige Bombay.

Warum muten wir uns denn noch ein Moloch zu? Mumbai hat mehr als 17 Millionen Einwohner und ist bekannt für eine irrwitzige Hitze und unerträglichen Fischgestank, was wohl bei den ausgiebigen Gezeiten entsteht, wenn sterbende Meerestiere in der starken Sonne modern. Im Januar hat Mumbai allerdings angenehme 30 Grad und riecht gut. Wir schlendern durch die Stadt, fühlen uns wohl und fragen uns dann, was hier gerade so wohltuend ist? Denn natürlich ist auch hier viel Trubel, Menschen und Verkehr. Aber es gibt hier richtig breite Bürgersteige (in Delhi sind diese nicht vorhanden oder enden nach ein paar Metern) und sogar Fußgängerampeln. So wird einem erst einmal bewusst, was auch Luxus sein kann.

Der südliche Teil von Mumbai ist geprägt von alten Kolonialbauten, darunter auch ganze Straßenzüge mit (teilweise sehr verfallenen) Art Déco Gebäuden. Gottseidank mittlerweile als UNESCO Weltkulturerbe anerkannt, so dass sie nicht abgerissen werden dürfen. Was sie sonst wohl längst wären, denn Mumbai hat astronomische Immobilienpreise und überall wird gebaut.

Eine Stadt für Kreative

Trotz Hitze und Gestank will man hier leben. Die Stadt ist offener als Delhi, was geografisch auch am Meereszugang liegt. Aber die Stadt ist nicht nur für Firmen ein wichtiger Standort, sondern wohl DIE Stadt in Indien für Kulturschaffende und Künstler.

Weshalb hier auch das erste indische Lollapalooza-Musikfestival stattfindet – sonst findest du dieses in Paris, Chicago, Rio de Janeiro, Santiago de Chile, Berlin und vielen anderen Orten in der ganzen Welt.

Deshalb sind wir auch in Mumbai und wir dürfen sogar mit Sondertickets rein – auf Einladung unserer Schwiegertochter, die das große Glück hat, als Singersongwriter hier auftreten zu dürfen. Sie hat ein wunderbares Konzert gegeben und wir sind mächtig stolz auf sie! Und ich weiß jetzt, wie es Backstage im Künstlerbereich auf großen Festivals aussieht. Wahrscheinlich habe ich viele berühmte Menschen getroffen, die ich in meiner musikalischen Unwissenheit nicht erkannt habe.

Musikfestival in Mumbai

Begegnung mit fernen Zeiten

In Mumbai fahren wir aber auch zur sogenannten Elefanteninsel (Gharapura Island) raus, auf der sich keine Elefanten (mehr) befinden, sondern Grotten mit großen hinduistischen Statuen aus dem 6-8. Jahrhundert. Nach so vielen hinduistischen Tempeln erscheinen mir diese Statuen besonders eindrucksvoll und mit einer großen Strahlkraft. Auf einer kaum beschreibbaren Art treten die Figuren mit mir in Resonanz, ohne dass ich mit ihrer Symbolik wirklich vertraut bin. Über Jahrhunderte hinweg entsteht ein leises Gespräch…

Auf dem Bild unten ist der Gott Shiva als Frau und Mann in einem Körper dargestellt.

Gott Shiva als Frau und Mann in einem

 

Bahnfahrt der besonderen Art

Die Mumbaier „local trains“ sind berühmt. Wahrscheinlich hast du auch irgendwann schon Bilder davon gesehen: Menschentrauben, die in fahrenden Zügen aus den Türen raushängen und sich gerade mal mit einer halben Hand festhalten. Diese Züge sind während der Woche so überfüllt, dass man einfach die Türen abmontiert hat, damit mehr Leute reinpassen. Diese Problemlösung der anderen Art ist nicht ganz ohne, wie man sich denken kann, und jährlich sterben Tausende von Menschen dabei. Immerhin ist mittlerweile verboten, auf dem Dach zu sitzen.

In indischen Zügen gibt es Frauenabteile. Absolut sinnvoll und notwendig, da allzu viele Übergriffe auf Frauen im Gedränge stattfinden. Wir (1 Frau und 2 Männer) geraten versehentlich in ein solches Abteil, als wir schnell beim Abfahren des Zuges irgendwo reinspringen. Aber das geht nicht lange gut. Eine ältere, resolute Frau in Sari macht uns unmissverständlich klar, dass die zwei Männer hier zu verschwinden hätten. Und zwar JETZT. Ich dürfte bleiben.

 

Mumbais Slumgebiete

Schon nach wenigen Stationen verlassen wir die Kolonial-Prachtbauten und sind mitten im Slum. Die Menschen leben nicht nur in provisorischen Hütten direkt an den Gleisen, sondern teilweise auf den Gleisen, die als Straßen, Spielplätze, Platz zum Wäschetrocknen und gelegentlich auch zum Schläfen benutzt werden. Welche Gefahren damit verbunden sind, mag man sich nicht vorstellen. Hier leben unfassbare 350.000 Menschen pro Quadratkilometer.

Mein Herz blutet bei solchen Begegnungen mit der lähmenden Armut. Ich fühle mich absolut hilflos, denn wirklich nachhaltig etwas ändern kann ich hier nicht. Allerdings werde ich mir für die Zukunft ein paar Projekte aussuchen, die ich aus der Ferne unterstützen kann. Und es kann darin für mich nur um Frauen und Kinder gehen, denn diese bekommen die wenigsten Chancen auf ein besseres Leben.

Slum in Mumbai an den Eisenbahngleisen

Der Weg zurück in ein angenehmes Hotel mit freundlichem Personal, einer Dusche und einem sauberen Bett erscheint nach solchen Begegnungen vollkommen surreal. Wie so viele dieser Wechsel zwischen den Welten, die wir hier erleben.

(Fortsetzung folgt…mit einem Bericht von der indischen Hochzeit, weshalb wir ja „eigentlich“ hier sind)

Für den Online-Lichtkreis am 9.3.23 (17.30-19.30), in dem wir uns mit den Energien von Auroville beschäftigen werden, kannst du dich ganz einfach per Mail anmelden (info@vera.bartholomay.com). Du brauchst keine Vorkenntnisse. Kosten: 49 EUR.

Hier findest du die zwei ersten Teile meines Indien-Berichts:

https://www.vera-bartholomay.com/blog/indien-reise-1

https://www.vera-bartholomay.com/blog/indien-reise-2

Kategorien: Inspirationen | Schlagworte: Indien, Inspirationen, Lebensfragen, Mystik, Spiritualität

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Kommentare

Susanne Detemple sagt:

06.02.2023 um 16:45 Uhr

Liebe Vera! Wieder einmal ist es dir gelungen, mir mein geliebtes Indien in das (heute mal nicht so trübe) Deutschland zu bringen!
Ich hoffe sehr, dass wir uns nach seiner Rückkehr treffen, und du mir mehr erzählen kannst! Bis dahin schwelge ich in Erinnerungen und deinen Reisebeschreibungen!

Antworten

Vera Bartholomay sagt:

07.02.2023 um 04:55 Uhr

Liebe Susanne, das freut mich! Und wir sollten uns auf jeden Fall treffen und plaudern über Indien und viel mehr! Gruß, Vera

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