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"Die beste Werbung macht man auf dem Meditationskissen" - Herzensprojekte (12)

24.04.2019

TinaS

Dieses Gespräch mit der Künstlerin Tina Stein findet in ihrem Atelier in Saarbrücken statt. Gerade hat einer ihrer vielen Malkurse hier stattgefunden - zu dem heutigen gehöre auch ich seit vielen Jahren. Mit 10-12 Frauen haben wir in tiefster Konzentration an unseren Bildern gearbeitet, dabei immer wieder auch zu den gerade entstehenden Werken der anderen Frauen geschaut, mal Inspiration geholt, mal einfach bewundert, was da gerade erscheint. Immer begleitet von Tina Stein mit ihrem großen Gespür dafür, in welchem Prozess sich die einzelne Frau gerade befindet und wann sie eine kleine Hilfestellung braucht. Es ist fast magisch, wie jede Schülerin es immer wieder schafft, hier etwas Ureigenes sichtbar zu machen. Denn es geht in diesen Kursen nie darum, eine Aufgabe „richtig“ umzusetzen oder einem vorgegebenen Konzept zu folgen. Sondern den tiefen, inneren Weg zu finden und auf der Leinwand sichtbar zu machen.

 

Warum hast du mit deinem Malatelier angefangen?

Ursprünglich war mein Traum einfach nur zu malen. Aber während des Kunststudiums habe ich gemerkt, dass es mir großen Spaß macht, mit Menschen zu arbeiten und sie in ihren eigenen Malprozessen zu begleiten. Es gibt ein so großes menschliches Entwicklungspotenzial, das durch die Malerei initiiert werden kann.

Ich kam aus dem Friseurberuf. Mein Vater hatte ein Friseurgeschäft und ich sollte die Familientradition weiterführen. So bin ich mehr oder weniger „freiwillig reingezwungen“ worden und habe ganz brav meinen Eltern versprochen, die Lehre auf jeden Fall zu Ende zu machen. Aber danach war ich frei zu tun, was ich wollte. Es war dennoch ein großes Glück, dass ich in diesen Handwerksberuf gezwungen wurde. Das hat mir nicht nur eine kleine finanzielle Grundlage gegeben, sondern auch ein gewisses Standing im Berufsleben ermöglicht. Als junge Frau konnte ich dort lernen, wie es in einem wirklichen Beruf ist. Ich lernte zum Beispiel einen guten Umgang mit Kunden. Denn auch wenn ich unterrichte, bin ich ja Dienstleister. Ich will damit sagen, dass die Wege, die einem erst als die falschen erscheinen, sich dann hinterher doch als ganz sinnvoll erweisen.

Konntest du sofort von deinem Atelier leben?

Nein, natürlich nicht. Am Anfang waren es nur zwei Gruppen und die bestanden auch mehr oder weniger aus dem erweiterten Bekanntenkreis. Aber ich hatte ja zum Glück meinen Friseurberuf und habe mir sozusagen meine Berufung mit meinem ersten Beruf finanziert. Mal mit kleinen Aushilfsjobs, mal privat mit Freudinnen als Tauschgeschäft. Gerade in den ersten Jahren habe ich auch viel selbst gemalt und viele Ausstellungen gehabt. Sobald die Malschule immer besser lief, habe ich mich aber immer mehr darauf konzentriert und jetzt gibt es die Schule schon 20 Jahre.

Wie kamen die Leute zu dir?

Um ganz ehrlich zu sein, fast nur über zufriedene Schüler, die ganz begeistert von der Schule erzählt haben. Und natürlich auch durch die Tatsache, dass meine Schüler schöne Arbeiten selbst gestaltet haben und diese dann zu Hause aufhängt und anderen gezeigt haben.

Was ist noch wichtig, wenn man Kunden gewinnen will?

Man muss die Bereitschaft haben, etwas zu geben - und zwar aus vollem Herzen. Ich hab das oft bei Kollegen festgestellt, die irgendwann meinten, sie müssten jetzt auch mit Kursen anfangen. Wenn sie dabei aber eher eine Nehmer-Persönlichkeit haben, kann es nicht gelingen. Diese Kollegen haben ihre Angebote dann nie so richtig auf die Beine stellen können.

Und dann gibt es die feinstoffliche Ebene - das, was man selbst ausstrahlt. In Phasen, in denen ich wenig Kapazität hatte für andere, weil ich mit mir selbst oder mit anderen Themen beschäftigt war, hat sich die Schülerzahl minimiert, bis ich wieder mehr Kapazität hatte und offen war für neue Leute. Und dann ging es wieder in die andere Richtung.

Die beste Werbung macht man auf dem Meditationskissen. Ich glaube, wenn man sich selbst als Persönlichkeit weiter entwickelt, bekommt man ein anderes und größeres Energiefeld. Und das, was man geben möchte, muss sich in diesem Feld manifestiert haben. Solange ich nur etwas weitergeben möchte, was ich gelernt habe, was sich aber nicht als innerste, ureigene Fähigkeit in meinem Energiefeld manifestiert hat, hat es noch keine energetische Wirklichkeit bekommen. Und erst wenn es im Energiefeld eine feinstoffliche Form bekommen hat, kann es sich auch im Physischen manifestieren.

Das heißt, du musst es selbst GEWORDEN sein?

Ja, genau.

Bedeutet das für dich, statt mehr Werbung und mehr Herumwirbeln sollte man schauen, ob man das wirklich integriert hat, was man gelernt hat?

Genau. Und ich denke, man sollte es auch nicht nur ein bisschen wollen, sondern das ganze Eigene sollte dahin streben. Also nicht nur denken, dass es jetzt ein schickes Angebot wäre, oder eine Alternative für mich, weil ich nicht mehr in meinem bisherigen Beruf arbeiten will. Es muss im Inneren und wirklich aus dem Herzen gewachsen sein. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass alles, was im Herzen gereift ist – also unser Herzensweg – immer gelingen wird. Man wird nicht immer reich dabei und der Weg ist bestimmt auch steinig, aber das Herzensthema wird mit Sicherheit Resonanz finden.

Was tief aus dem Herzen hinauswill ist aber ein Entwicklungsweg. Es gehört einiges an Arbeit dazu - von der ersten Tuchfühlung mit etwas bis es in die Tiefe hineingekommen ist. Bis man das lebt, was man sein will und was man nach Außen geben will.

Gab es denn für dich eine besondere Schwelle auf deinem beruflichen Weg, etwas, was besonders viel Mut gekostet hat?

Es kostet immer Mut, wenn man sich auf etwas Neues einlässt.

Aber es gibt noch etwas. Andere sagen mir, ich wäre so wahnsinnig mutig, aber ich bin gar nicht mutig, ich drehe die Dinge nur so lange in mir, bis ich Sicherheit gewonnen habe. Das ist nicht ein Zustand des Wollens oder Wünschens, sondern das ist eine sichere Gewissheit. Dieser Zustand ist ganz still. Wenn er erreicht ist, braucht man überhaupt keinen Mut mehr, denn es gibt an diesem Ort keinerlei Zweifel.

Natürlich gibt es die alltäglichen Zweifel, die einen von der Seite erwischen. Die Angst, dass etwas schief gehen kann. Aber das ist eine äußere Ebene. Und der Ort der Gewissheit ist überhaupt nicht davon beeinflusst. Man muss diesen Ort bloß immer wieder finden und noch mal dorthin zurückfinden, wenn man sich verirrt hat.

Solange dieser innere Gewissheitsort noch leicht angegriffen werden kann, ist man noch nicht so weit.

Und wie findet man diesen Ort in sich?

Indem man einfach dahin geht. Ich kann das nicht anders sagen. Es gibt ihn schon in jedem Menschen. Manchmal entdeckt man diesen Ort aber auch mit Meditation oder Innenschau.

Ist es das, was sich ganz stimmig anfühlt? Oder hat es etwas mit höherer Bestimmung zu tun? Oder das Gefühl, ganz bei meinem Ureigenen anzukommen?

Ja, bestimmt auch. Aber ich würde es nicht „höher“ nennen, denn es ist ja nicht höher. Sonst wäre es so weit von mir weg. Ich will ja nicht von mir weg und irgendwo hoch. Sondern eher im Gegenteil.

Kann man es deinen Wesenskern nennen? Das Gefühl, dass du an deinem Wesenskern angelangt bist und dass diese anstehende Entscheidung oder dieser Schritt dazu gehört?

Ja, so was kommt schon näher.

Ich sage dann, ich gehe mit etwas schwanger. Das kann bei manchen Sachen Jahre dauern. Und wenn der ganz stimmige Moment da ist, dann geht alles ganz schnell und es ist immer gut. Das heißt,  die Reifezeit ernst nehmen. Sie ist mal kürzer und mal länger, aber sie ist wichtig.

Manchmal sind es ja richtige Nebelphasen.

Auch das ist wichtig, damit es sich danach lichten kann. Es brütet ja im Nebel weiter. Man muss solche Phasen würdigen und wissen, dass sie ein Teil des Weges sind.

Es gab bestimmt auch Menschen aus deinem Umfeld, die an dir und deinen Plänen gezweifelt haben.

Ich habe im Laufe dieser vielen Jahre gelernt, meinen Mund zu halten. Wenn ich mit neuen Plänen „schwanger“ gehe, rede ich immer weniger darüber oder nur mit ganz wenigen Menschen. Diese muss ich ganz sorgfältig auswählen. Und ansonsten halte ich mich sehr bedeckt, um meine Energie zu halten. Am Anfang habe ich ganz viel über solche Dinge geredet und dann kommen diese Zweifler nicht nur aus einem selbst, sondern aus dem ganzen Umfeld mit Sprüchen wie „das kann ja nicht funktionieren“. So bin ich immer mehr dahinter gekommen, dass ich es besser für mich behalte. Und ich habe gemerkt, dass die Energie dadurch auch viel stärker wird. Im Außen saugen die Zweifler Energie ab und man strömt auch selber Energie raus, indem man sich nicht nur mit seinen eigenen Sachen auseinandersetzt, sondern auch mit den Zweifeln der anderen. „Die Energie bündeln“ nenne ich das immer. Und Sprache ist ein enormes Feld, in dem Energie verloren gehen kann.

Oder ich stelle nur konkrete Fragen an einzelne Personen für Punkte, in denen ich unsicher bin. Aber es ist schon auch wichtig, andere Meinungen zu hören. Deshalb geht man ja in Kommunikation, aber man öffnet den inneren Energiekern nicht. Und die Antworten kann man dann für sich nehmen oder auch nicht.

Gab es Krisen unterwegs?

Krisen sind ganz normal. Zu allem gehören auch Krisen dazu. Alles bewegt sich in einem auf und ab, wie in einer Sinuskurve, und das ist bei mir natürlich genauso gewesen. Es gibt Phasen, in denen ich mehr Ideen habe, in denen ich mich besser mit meiner Arbeit verbinden kann, und dann die ganz anderen Phasen.

Gab es keine dramatische Situation, in der du an deinem Weg gezweifelt hast?

Doch schon. Aber immer, wenn ich gezweifelt habe, kam irgendetwas von außen. Entweder viel positive Resonanz oder viele Leute, die in meine Kurse kommen wollten. Es kam immer ein Zeichen, das mir gezeigt hat, dass dies eigentlich mein Weg ist und dass es Lösungen gibt. Auch wenn ich jetzt vielleicht gerade einen Durchhänger habe. Ich hatte immer wieder das Gefühl, ich werde erneut auf meinen Weg gestellt. Es gilt aber, in solchen Situationen überhaupt wahrzunehmen, dass etwas Positives kommt. Also die Magie des Alltags lesen lernen. Irgendwie kriegt man immer Antworten, man muss nur die Ohren und die Augen aufhalten.

Die größten Zweifel hatte ich eher nicht im Unterrichten, sondern an mir als Malerin. Denn das geht ja eine Nummer tiefer. Und dann habe ich das natürlich auf meinen Unterricht übertragen. Wenn ich als Malerin in meinen eigenen Augen nicht gut bin, was kann ich dann geben? Wenn aber so ganz schlimme malerische Krisen kamen, und ich dachte, ich kann gerade gar nichts, dann geschah immer wieder etwas. Ich habe ein Bild verkauft oder irgendwas Schönes gehört.

Obwohl ich mir vorstelle - gerade in einem künstlerischen Beruf wie Malerin - da wäre es doch geradezu eine Katastrophe, wenn man diese Zweifel nicht hätte?

Ja, das sehe ich auch so. Denn wenn du nicht in deine tiefsten Schichten abtauchst und durch dunkle Wälder gehst, dann kann es auch nicht wirklich gute Malerei werden.

Und da sind wir wieder beim Thema am Anfang. Es muss in deinem Energiefeld manifest sein. Immer wenn man zutiefst innere Fähigkeiten ausbildet, muss man immer wieder durch das Tief durch. Wo alles verbrennt und zu Asche wird. Um dann daraus hervorzusteigen wie ein Phönix aus der Asche – dieses Bild habe ich immer wieder vor Augen.

Ich denke, gerade als unterrichtende Person ist es ganz wichtig, dass du um diese Krisen weißt, denn sonst kannst du nicht Menschen begleiten, die bei dir etwas lernen und dann auch durch solche Krisen durchgehen.

Ja, in dem Zustand ist ja immer mindestens eine Person im Malkurs. Oder auch die ganze Gruppe. Und die spüren sehr genau, dass du das kennst. Denn sonst könnten sie sich nicht öffnen, sie würden es vielleicht noch nicht mal spüren können.

Man muss auch ein Verständnis dafür entwickeln, dass diese Phasen normal sind. Wenn sie nicht kommen, geht man nicht in eine bestimmte Tiefe hinein. Das heißt, man kann eigentlich sogar dankbar sein, wenn solche Krisen kommen. Diese Zeiten, in denen das übliche Repertoire, was man sonst so abspult, einfach nicht greift, in denen man nichts zu greifen kriegt. Da muss man einfach durch und dann kommt irgendwann die Inspiration und es kann weitergehen.

Was hat dir besonders geholfen?

Das Vertrauen in meine Fähigkeiten. Ich habe schon von Anfang an gemerkt, wenn ich etwas unterrichte, habe ich immer wieder das Gefühl, dass ich Dinge sage und erkläre, von denen ich nicht weiß, woher ich es wirklich weiß. Irgendwie bekomme ich die notwendigen Informationen von wo auch immer. Und daraus ist ein ganz tiefes Vertrauen gewachsen.

Was würdest du Menschen raten, die gerade ihren Herzensweg beginnen?

Das Wichtigste ist, dass es wirklich ein Herzensweg ist.

http://www.tinastein.de/

Dieses Gespräch fand statt bei der Recherche für das Buch "Projekt Sehnsucht. Ein Mutmachbuch für alle, die von der Selbstständigkeit träumen".

Projekt Sehnsucht - Coverbild

www.vera-bartholomay.com

 

Kategorien: Herzensprojekte | Schlagworte: Inspirationen, Kreativität, persönliche Entwicklung, Spiritualität

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